Die Familie in und zwischen den Weltkriegen
Für eine adelige Familie mit einer jahrhundertelangen Tradition und einer starken militärisch-preußischen Prägung waren der verlorene Erste Weltkrieg und der damit verbundene Untergang der Monarchie Ereignisse, die als Katastrophe empfunden wurden. Man war enttäuscht, fühlte sich verraten und prognostizierte eine verhängnisvolle Zukunft. Deutschland daraufhin wieder „stark“ zu machen, war ein vorrangiges Ziel, besonders im nationalkonservativen Adel. Der neuen Demokratie stand man dagegen kritisch gegenüber. Das traf auch auf die Generale der Familie v. Stülpnagel Edwin (XIII/167, 1876-1933), Otto (XIII/168, 1878-1948), Joachim (XIV/232, 1880-1968) und Carl-Heinrich (XIII/216, 1886-1944) zu, die zunächst in der Weimarer Republik und z. T. auch in der Zeit des Nationalsozialismus in herausragenden Stellungen Dienst taten. In ihnen verkörperte sich exemplarisch das Ringen um neue Positionen unter den sich rasch wandelnden politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen.
Die Haltung zur NS-Diktatur war innerhalb der Familie v. Stülpnagel nicht anders als in anderen Familien jener Zeit. Es lassen sich sowohl Befürworter und Nutznießer als auch Kritiker und Widerständler ausmachen und auch hier gab es die „graue Masse“, die sich passiv verhielt und keine Stellung bezog.
Die ambivalente Rolle der Generale Otto und Carl-Heinrich v. Stülpnagel als Militärbefehlshaber während des Zweiten Weltkrieges ist bis heute Gegenstand kritischer Auseinandersetzungen.
20. Juli 1944 Rezeptionsgeschichte
Das Beispiel Lessing-Gymnasium in Frankfurt am Main
In einmaliger Weise war und ist das humanistische, inzwischen über 500 Jahre alte Lessing-Gymnasium in Frankfurt/M. mit dem Thema 20. Juli 1944 konfrontiert. Gleich drei seiner Abiturienten:
Carl-Heinrich v. Stülpnagel (Abitur 1904), Cäsar v. Hofacker (Abitur 1914) und Friedrich Karl Klausing (Abitur 1938) waren maßgeblich am Attentat und Umsturzversuch beteiligt und wurden in Plötzensee hingerichtet. Die Schule hat daraus die besondere Verpflichtung abgeleitet, eine Erinnerungskultur an diese Zeit – repräsentiert durch die Schicksale ihrer drei Schüler – aufzubauen, zu pflegen und weiterzuentwickeln.
So wurde bereits 1955 die Schule im Rahmen einer Feier zur Ehrung der Opfer des 20. Juli 1944 in Frankfurt mit der Übergabe der schwarz-rot-goldenen Gedächtnisfahne geehrt. Aus dieser Zeit stammt auch das Bild von Carl-Heinrich v. Stülpnagel, das zusammen mit Bildern der beiden anderen Widerständler im Schulgang hing.
In den 1990er Jahren kam es allerdings über dieses Bild und die Rolle, die Carl-Heinrich v. Stülpnagel vor dem 20. Juli 1944 eingenommen hatte, zu einer kontroversen Auseinandersetzung zwischen Gewerkschaft, Elternschaft sowie Stadtpolitik auf der einen Seite und dem Gymnasium und den Angehörigen auf der anderen Seite, die dazu führte, dass die Familie das Bild abhängen ließ.
Umso erfreulicher war es, dass die Schule auf Initiative der stellv. Schulleiterin Elisabeth Jahr-Härtelt anlässlich des 60. Jahrestages des 20. Juli in einer Ausstellung und Dokumentation unter dem Motto „Recht und Menschlichkeit wiederherstellen“ nicht das Heldentum der Attentäter, sondern deren Abkehr von einstigen Überzeugungen als vorbildlich würdigte.
Mit der von Schülern selbst erarbeiteten Konzeption einer „Denk-Stätte“ zum 70. Jahrestag 2014 wurde eine wegweisende Aufarbeitung des Themas Widerstand geschaffen, die zum ständigen Weiterdenken auch anderer Schulklassen anregt.
Zwei Familienmitglieder in der Zeit des Nationalsozialismus
Carl-Heinrich v. Stülpnagel
Wie es über Generationen der Familientradition entsprach, schlug auch Carl-Heinrich eine militärische Laufbahn ein. Sowohl in der Weimarer Republik als auch unter der NS-Herrschaft bekleidete er verschiedene militärische Ämter.
In der Sudentenkrise 1938 gehörte er zu den Militärs der Wehrmacht, die zu dieser Zeit bereits den Sturz Hitlers planten und seine kriegstreibenden Pläne vereiteln wollten. Doch es kam anders. Im Zweiten Weltkrieg erfüllte Carl-Heinrich seinen militärischen Dienst in verschiedenen Truppenverbänden und zuletzt als Militärbefehlshaber in Frankreich. Während des ganzen Krieges hielt er engen Kontakt zu Widerstandskämpfern in den Reihen der Wehrmacht. Am 20. Juli 1944 beteiligte sich Carl-Heinrich am Attentat auf Adolf Hitler. Da die Ausführung misslang, wurde er vor dem „Volksgerichtshof“ am 30. August 1944 zum Tode durch den Strang verurteilt und am gleichen Tage in Berlin-Plötzensee hingerichtet.
Edelgarde v. Stülpnagel
Edelgarde war Führerin im Reichsarbeitsdienst (RAD) und wirkte zuletzt als Gauführerin im „Reichsgau Wartheland“. Über sie ist – formuliert von ihren Schwestern – in der Familiengeschichte Folgendes zu lesen: „Edel war von den Idealen des Nationalsozialismus überzeugt, war in der NSDAP, glaubte Kritikern nicht und hielt „Schreckensmeldungen“ für nicht wahr. Im Familienkreis waren bei Unterhaltungen viele Themen tabu, wenn Edel anwesend war. Sie hat bis zuletzt gehofft und geglaubt und ließ die Aufarbeitung der NS-Zeit nach dem Kriege nicht an sich heran. Sie schwieg und ging ihren Weg, immer bereit, anderen Menschen zu helfen.“
Die Familie und die NSDAP
Eintritt am 01.02.1932
Reichsbeamter
Als Beamtermusste er in der Partei sein, aber nicht schon 1932
Eintritt am 01.10.1930
Landwirt
Nach eigenen Angaben am Tage des Polenfeldzugs (01.09.1939) wieder ausgetreten
Eintritt am 01.05.1932
Lehrling, später Offizier
Als Jugendlicher begeistert von der Bewegung
Eintritt am 01.05.1933
Ehefrau eines Reichsbeamten
Beweggründe nicht bekannt
Eintritt am 01.09.1933
selbständiger Kaufmann
Beweggründe nicht bekannt
Eintritt am 01.05.1937
Jugendleiterin, höhere RAD-Führerin
Begeistert von Partei und „Führer“
Eintritt am 01.05.1937
Lehrling, später Offizier
Von der HJ in die Partei überführt
Eintritt am 01.09.1939
Studentin
Vom BDM in die Partei überführt
Eintritt am 01.09.1939
Lehrling
Von derHJ in die Partei überführt
Eintritt am 01.09.1939
Schüler, später Offizier
Von der HJ in die Partei überführt
Eintritt am 01.09.1940
Sekretärin
Vom BDM in die Partei überführt
Eintritt am 01.09.1940
Schüler
Von der HJ in die Partei überführt
Eintritt am 20.04.1943
Schülerin
Vom BDM in die Partei überführt