Die Familie in und zwischen den Weltkriegen

Bild vom Familientag der Familie v. Stülpnagel (1936)

Für eine adelige Familie mit einer jahrhundertelangen Tradition und einer starken militärisch-preußischen Prägung waren der verlorene Erste Weltkrieg und der damit verbundene Untergang der Monarchie Ereignisse, die als Katastrophe empfunden wurden. Man war enttäuscht, fühlte sich verraten und prognostizierte eine verhängnisvolle Zukunft. Deutschland daraufhin wieder „stark“ zu machen, war ein  vorrangiges Ziel, besonders im nationalkonservativen Adel. Der neuen Demokratie stand man dagegen kritisch gegenüber. Das traf auch auf die Generale der Familie v. Stülpnagel Edwin (XIII/167,  1876-1933), Otto (XIII/168,  1878-1948), Joachim (XIV/232, 1880-1968) und Carl-Heinrich (XIII/216, 1886-1944) zu, die zunächst in der Weimarer Republik und z. T. auch in der Zeit des Nationalsozialismus in herausragenden Stellungen Dienst taten. In ihnen verkörperte sich exemplarisch das Ringen um neue  Positionen unter den sich rasch wandelnden politischen und gesellschaftlichen  Verhältnissen.
Die Haltung zur NS-Diktatur war innerhalb der Familie v. Stülpnagel nicht anders als in anderen Familien jener Zeit. Es lassen sich sowohl Befürworter und Nutznießer als auch Kritiker und  Widerständler ausmachen und auch hier gab es die „graue Masse“, die sich passiv verhielt und keine Stellung bezog.

Die ambivalente Rolle der Generale Otto und Carl-Heinrich v. Stülpnagel als Militärbefehlshaber während  des Zweiten Weltkrieges ist bis heute Gegenstand kritischer Auseinandersetzungen.

20. Juli 1944 Rezeptionsgeschichte

Das Beispiel Lessing-Gymnasium in Frankfurt am Main

In einmaliger Weise war und ist das humanistische, inzwischen über 500 Jahre alte Lessing-Gymnasium in  Frankfurt/M. mit dem Thema 20. Juli 1944 konfrontiert. Gleich drei seiner  Abiturienten:
Carl-Heinrich v. Stülpnagel (Abitur 1904), Cäsar v.  Hofacker (Abitur 1914) und  Friedrich Karl Klausing (Abitur 1938) waren  maßgeblich am Attentat und Umsturzversuch beteiligt und wurden in Plötzensee  hingerichtet. Die Schule hat daraus die besondere  Verpflichtung abgeleitet, eine Erinnerungskultur an diese Zeit – repräsentiert durch die Schicksale ihrer drei Schüler – aufzubauen, zu pflegen und weiterzuentwickeln.

So wurde bereits 1955 die Schule im Rahmen einer Feier zur Ehrung der Opfer des 20. Juli 1944 in Frankfurt mit der Übergabe der schwarz-rot-goldenen Gedächtnisfahne geehrt. Aus dieser Zeit stammt auch das Bild von Carl-Heinrich v. Stülpnagel, das zusammen mit Bildern der beiden anderen Widerständler im Schulgang hing.

In den 1990er Jahren kam es  allerdings über dieses Bild und die Rolle, die Carl-Heinrich v. Stülpnagel vor dem 20. Juli 1944 eingenommen hatte, zu einer kontroversen Auseinandersetzung zwischen Gewerkschaft, Elternschaft sowie Stadtpolitik auf der einen Seite und dem Gymnasium und den  Angehörigen auf der anderen Seite, die dazu führte, dass die  Familie das Bild abhängen  ließ.

Umso erfreulicher war es, dass die Schule auf Initiative der stellv. Schulleiterin Elisabeth Jahr-Härtelt anlässlich des 60. Jahrestages des 20. Juli in einer Ausstellung und Dokumentation unter dem  Motto „Recht und  Menschlichkeit  wiederherstellen“ nicht das Heldentum der Attentäter,  sondern deren Abkehr von  einstigen Überzeugungen als vorbildlich würdigte.

Mit der von Schülern selbst erarbeiteten Konzeption einer „Denk-Stätte“ zum 70. Jahrestag 2014 wurde eine wegweisende Aufarbeitung des Themas Widerstand geschaffen, die zum ständigen Weiterdenken auch anderer  Schulklassen anregt.

Zwei Familienmitglieder in der Zeit des Nationalsozialismus

Carl-Heinrich v. Stülpnagel

Carl-Heinrich v. Stülpnagel (XIII/216, 1886-1944)

Wie es über Generationen der Familientradition entsprach, schlug auch Carl-Heinrich eine militärische Laufbahn ein. Sowohl in der Weimarer Republik als auch unter der NS-Herrschaft bekleidete er verschiedene militärische Ämter.
In der Sudentenkrise 1938 gehörte er zu den Militärs der Wehrmacht, die zu dieser Zeit bereits den Sturz Hitlers planten und seine kriegstreibenden Pläne vereiteln wollten. Doch es kam anders. Im Zweiten Weltkrieg erfüllte Carl-Heinrich seinen militärischen Dienst in verschiedenen Truppenverbänden und zuletzt als Militärbefehlshaber in Frankreich. Während des ganzen Krieges hielt er engen Kontakt zu Widerstandskämpfern in den Reihen der Wehrmacht. Am 20. Juli 1944 beteiligte sich Carl-Heinrich am Attentat auf Adolf Hitler. Da die Ausführung misslang, wurde er vor dem „Volksgerichtshof“ am 30. August 1944 zum Tode durch den Strang verurteilt und am gleichen Tage in Berlin-Plötzensee hingerichtet.

Edelgarde v. Stülpnagel

Edelgarde v. Stülpnagel (XV/275, 1912-1975)

Edelgarde war Führerin im Reichsarbeitsdienst (RAD) und wirkte zuletzt als Gauführerin im „Reichsgau Wartheland“. Über sie ist – formuliert von ihren Schwestern – in der Familiengeschichte Folgendes zu lesen: „Edel war von den Idealen des Nationalsozialismus überzeugt, war in der NSDAP, glaubte Kritikern nicht und hielt „Schreckensmeldungen“ für nicht wahr. Im Familienkreis waren bei Unterhaltungen viele Themen tabu, wenn Edel anwesend war. Sie hat bis zuletzt gehofft und geglaubt und ließ die Aufarbeitung der NS-Zeit nach dem Kriege nicht an sich heran. Sie schwieg und ging ihren Weg, immer bereit, anderen Menschen zu helfen.“

Die Familie und die NSDAP

Eintritt am 01.02.1932

Reichsbeamter

Als Beamtermusste er in der Partei sein, aber nicht schon 1932

Eintritt am 01.10.1930

Landwirt

Nach eigenen Angaben am Tage des Polenfeldzugs (01.09.1939) wieder ausgetreten

Eintritt am 01.05.1932

Lehrling, später Offizier

Als Jugendlicher begeistert von der Bewegung

Eintritt am 01.05.1933

Ehefrau eines Reichsbeamten

Beweggründe nicht bekannt

Eintritt am 01.09.1933

selbständiger Kaufmann

Beweggründe nicht bekannt

Eintritt am 01.05.1937

Jugendleiterin, höhere RAD-Führerin

Begeistert von Partei und „Führer“

Eintritt am 01.05.1937

Lehrling, später Offizier

Von der HJ in die Partei überführt

Eintritt am 01.09.1939

Studentin

Vom BDM in die Partei überführt

Eintritt am 01.09.1939

Lehrling

Von derHJ in die Partei überführt

Eintritt am 01.09.1939

Schüler, später Offizier

Von der HJ in die Partei überführt

Eintritt am 01.09.1940

Sekretärin

Vom BDM in die Partei überführt

Eintritt am 01.09.1940

Schüler

Von der HJ in die Partei überführt

Eintritt am 20.04.1943

Schülerin

Vom BDM in die Partei überführt